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4072 Behandlungsfehler: Was tun, wenn der Arzt krank macht?

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Nach der Einpflanzung künstlicher Gelenke wie hier am Knie kommt es häufig zu Beschwerden über Ärztefehler.
Nach der Einpflanzung künstlicher Gelenke wie hier am Knie kommt es häufig zu Beschwerden über Ärztefehler. © dpa

Auch Ärzte machen Fehler - oft mit gravierenden Folgen. Die Zahl der Beschwerden nimmt immer weiter zu. Wir zeigen, wie Sie reagieren sollten, wenn Sie betroffen sind.

München - Eine in der Bauchhöhle vergessene Pinzette, ein links statt rechts amputiertes Bein - Behandlungsfehler beim Arzt oder im Krankenhaus sind keine Einzelfälle. Voriges Jahr ist die Zahl der bei den gesetzlichen Krankenkassen eingegangenen Patientenbeschwerden über Kunstfehler und Fehldiagnosen gestiegen.

Die Gutachter des Medizinischen Dienstes des Kassenspitzenverbands (MDS) prüften 15.094 solcher Vorwürfe - 270 mehr als 2015. In gut jedem vierten Fall - das betraf 4072 Beschwerden - fanden die Gutachter tatsächlich einen Fehler. MDS-Vize Stefan Gronemeyer stellte diese Zahlen am Dienstag in Berlin der Presse vor.

Bericht zu Behandlungsfehlern: Stefan Gronemeyer ist leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des MDS.
Bericht zu Behandlungsfehlern: Stefan Gronemeyer ist leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des MDS. © dpa

Gefährdungsrisiko nicht zu beziffern

In 3564 Fällen habe der Fehler zu einem Schaden beim Patienten geführt. Zwar ist diese Zahl leicht gesunken, doch Gronemeyer warnt: „Leider bedeutet das jedoch nicht, dass sich das Risiko, einen Behandlungsfehler zu erleiden, generell verringert hätte.“ Daten zu Behandlungsfehlern lägen in Deutschland nur punktuell vor, weshalb sich „auch das Gefährdungsrisiko nicht beziffern“ lasse.

Gronemeyer fordert eine Meldepflicht für Behandlungsfehler, ähnlich wie in Großbritannien. Die wäre ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Sicherheitskultur. „Jeder Fehler, aus dem heute nichts gelernt wird, kann sich morgen wiederholen und erneut vielleicht einen schweren Schaden verursachen.“ Auch Gerichte, Haftpflichtversicherer sowie die Ärztekammern sammeln Vorwürfe von Behandlungsfehlern. Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern prüften 2016 mehr als 11.500 Patientenbeschwerden und bestätigten 2245 Behandlungsfehler - ein leichter Anstieg zum Vorjahr.

Vor allem Orthopädie und Unfallchirurgie im Fokus

In der aktuellen Statistik der Krankenkassen bezog sich ein Drittel aller Vorwürfe auf das Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie. Zwölf Prozent betrafen die innere Medizin und Allgemeinmedizin, jeweils weitere neun Prozent die Allgemeinchirurgie und Zahnmedizin, sieben Prozent die Frauenheilkunde und vier Prozent die Pflege.

Max Skorning, Leiter Patientensicherheit beim MDS, fordert eine systematische Fehleranalyse: „Es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, die systematisch erfasst und analysiert werden muss.“

Die AOK rechnet jährlich mit 190.000 Behandlungsfehlern, rund 19.000 Menschen sind demnach 2014 an den Folgen von Ärztefehlern sogar gestorben! Für eine bessere Prävention sind laut Skoring zum Beispiel Informationen über Fehler nötig, die einerseits besonders schwerwiegend sind, andererseits aber als sicher vermeidbar gelten. Dies sind etwa nach der Operation verbliebene Tupfer oder die Verwechslung von Blutkonserven. Skorning: „Solche Fehler zeigen einen Sicherheitsmangel im System an, weniger ein Versagen des Einzelnen.“

Was können Betroffene tun?

Kasse einschalten: Vermuten gesetzlich Versicherte, einen Behandlungsfehler ihres Arztes, sollten sie sich an ihre Krankenkasse wenden. Sie ist verpflichtet, ihre Mitglieder kostenlos zu unterstützen, wenn die Behandlung von ihr bezahlt wurde.

Gutachten bestellen: Beim Verdacht auf fehlerhafte Behandlung kann ein Sachverständigengutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) erstellt werden. Bestätigt sich der Verdacht, hat der Patient in der Regel Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche.

Arzt befragen: Sinnvoll ist immer auch das Gespräch mit dem Arzt. Ihn sollten Betroffene darauf ansprechen. Ärzte sind verpflichtet, Auskunft zu geben. Geht der Arzt von einem Fehler aus, der gesundheitliche Gefahren zur Folge hat, muss er den Patienten informieren.

Keine Beweispflicht: Der Patient muss einen groben Fehler des Arztes in der Regel nicht beweisen. Dieser liegt vor, wenn der „Arzt gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint“, so ein Urteil des Bundesgerichtshofs. Unter Umständen kann bei einfachen Behandlungsfehlern die Beweislast beim Arzt liegen.

Schlichtungsstellen helfen: Die Schlichtungsstellen der Länder- und Ärztekammern sowie der MDK können bei außergerichtlichen Einigungen helfen, rät die Unabhängige Patientenberatung, an die sich Betroffene auch wenden können (Tel.: 0800 011 77 22). Im Zweifel sollte man sich einen spezialisierten Anwalt nehmen.

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